Auf den Spuren der Romantiker: die 6B in Heidelberg
Noch nie in der Geschichte des Brucknergymnasiums hat es eine Klasse in diese Ecke Europas verschlagen. Ein echtes Versäumnis! Denn Heidelberg, Speyer, Strasbourg und Frankfurt bieten sehenswerte Kultur für weit mehr als eine Woche – und das alles auf engstem Raum! Unser cooler Chauffeur Erwin brachte uns mit ruhiger Hand und faszinierender Loyalität sicher an unsere Ziele: das Technikmuseum und den Dom zu Speyer, die Frankfurter Innenstadt samt dem Kunsthaus Schirn, das Zentrum von Strasbourg und natürlich unser Quartier in Heidelberg. Wer auf Selbstoptimierung mittels Schrittzähler setzte, konnte am Ende der viel zu kurzen Woche eine reiche Ernte einfahren: Bis zu dreimal täglich machten wir uns auf den Weg quasi auf den Spuren Goethes, tatsächlich aber in die Innenstadt Heidelbergs. Die Manessische Handschrift ließen wir links liegen, den Karzer ebenso – unsere Schüler*innen sollen ja nicht mit den Auswüchsen schwarzer Pädagogik konfrontiert werden! Stattdessen kam in unseren Fokus: die Ausstellung der Körperwelten, das Heidelberger Schloss, das Goethe erstmals 1775 besichtigte, eine Ausstellung zur Kultur des Hip Hop, die Semantik architektonischer Stile und die Enge in U-Booten. Flankierend zum Staunen über die dargebotenen Schönheiten sollten die Schüler*innen eine Fotocollage mit den Fotografien der Projektwoche erstellen. Intendiert war ein lebendiges Arrangement der Fotos, ansprechend und durchdacht, die Stimmung der Projektwoche wiedergebend. Die Formensprache der grafischen Details und die Schriftwahl sollten die Komposition harmonisch ergänzen. Ein besonders gelungenes Beispiel findet sich in den beiliegenden Abbildungen.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass ein kompetenzorientierter, also nicht primär inhaltsbezogener Schwerpunkt das Programm der Woche bestimmte: Gemeint ist das Leben in „prästudentischen“ WGs. In Heidelberg befindet sich nicht nur die älteste Universität Deutschlands, die Stadt mit knapp 160.000 Einwohnern beherbergt auch etwa 40.000 Student*innen. Dieses einzigartige Verhältnis prädestiniert die Stadt als Prototyp studentischen Lebens. Eine der längsten Fußgängerzonen Europas in einer malerischen barocken Altstadt lädt zum Flanieren und Genießen eines pulsierenden jugendlichen Ambientes ein. Die Schüler*innen waren in Mehrbettzimmern eines Hotels untergebracht, ohne Verpflegung, aber mit je einer kleinen Küche. Der Versuch, das gemeinsame Erlebnis mit Verantwortung füreinander und einer Planung des Alltags jenseits von Fast Food zu verknüpfen, kann als durchaus gelungen bezeichnet werden. Mit welcher Begeisterung sich unsere Schüler*innen – viele von ihnen in wenigen Jahren Student*innen im ersten Semester – der Frage nach dem echten und wahren Rezept für Spaghetti Carbonara und für andere Gerichte widmeten! Neben Neckar (nein, nicht jeder Fluss ist die Traun oder die Donau!), Barock, Symbolen der Vergänglichkeit und apotropäischen Funktionen von Wasserspeiern gibt es noch andere, nicht weniger wichtige Lernziele, die auf die Beantwortung wesentlicher Fragen hinauslaufen: Warum ist es wichtig, als sinnvoll erachtete Regeln zu befolgen? Was tut ein Bett auf der Rohrbacher Straße? Wo wohnen LEGA und LUFT wirklich? Warum kommt es im stark ausgebauten Autobahnnetz Deutschlands immer wieder zu Staus? Wie wollen wir leben? Wie wollen wir miteinander umgehen? Inwiefern unterliegt jede Generation einem vermuteten oder tatsächlich existierenden Zeitgeist?
Eine äußerst disziplinierte, interessierte und sympathische 6B bekräftigt uns in der Überzeugung, dass Bildung möglich, Kultur vermittelbar und Goethes Zitat aus Wilhelm Meisters Lehrjahre wahr ist: „Niemand glaube, die ersten Eindrücke der Jugend überwinden zu können.“
Bericht von Mag. Legenstein und Mag. Luft